Normenverzeichnis » Norm: FBPSA - 010

Beschreibung

Bei Arbeiten in Arbeitsbühnen von fahrbaren Hubarbeitsbühnen kommt es immer wieder zu schweren Unfällen durch Absturz infolge des Herauskatapultierens oder des Herausstürzens aus der Arbeitsbühne. Kann das Risiko eines Absturzes aus der Arbeitsbühne in der Gefährdungsbeurteilung nicht ausgeschlossen werden, sind geeignete Maßnahmen zu treffen. Eine geeignete Maßnahme ist eine Persönliche Schutzausrüstung gegen Absturz (PSAgA).

Inhaltsverzeichnis

1 Absturzrisiko bei der Verwendung von Hubarbeitsbühnen
2 Schutzmaßnahmen nach dem Stand der Technik
3 Geeignetes Auffangsystem als Maßnahme zum Schutz gegen Absturz
4 PSAgA zur Verwendung in Arbeitsbühnen von fahrbaren Hubarbeitsbühnen nach DIN EN 19427

1 Absturzrisiko bei der Verwendung von Hubarbeitsbühnen

Das Absturzrisiko besteht vorwiegend bei der Verwendung von auslegergestützten fahrbaren Hubarbeitsbühnen (z. B. Teleskoppbühnen). Die Gefahr des Herausstürzens aus der Arbeitsbühne wird hier begünstigt durch:

  • den Katapult- oder Peitscheneffekt z. B. infolge von
    • Kollision der Hubarbeitsbühne mit anderen Fahrzeugen,
    • Versetzfahrten der Hubarbeitsbühne oder
    • Festklemmen/Verhaken der Arbeitsbühne an Teilen des Arbeitsumfeldes wie z. B. Konstruktionen im Industriebau, Äste in der Baumpflege,
  • das Herausschleudern bzw. Herausstürzen des Bedieners bzw. der Bedienerin, verursacht z. B. durch
    • Abkippen der Bühne durch Einsinken einer oder mehrerer Abstützungen,
    • Versagen der Tragkonstruktion bei Hydraulik- oder Materialschäden oder
    • Hinauslehnen des Bedieners bzw. der Bedienerin über das Geländer.

Bei der Verwendung von Scherenhubarbeitsbühnen kann das Herausschleudern des Bedieners oder der Bedienerin durch das Verhaken bzw. das Aufsetzen der Arbeitsbühne an Teilen des Arbeitsumfelds verursacht werden.

Weiterführende Informationen können der Fachbereiche AKTUELL FBHL-002 "Fahrbare Hubarbeitsbühnen - Maßnahmen gegen Sturz aus der Arbeitsbühne" entnommen werden.

2 Schutzmaßnahmen nach dem Stand der Technik

Nach der derzeit gültigen DIN EN 280:2016-04 „Fahrbare Hubarbeitsbühnen“ müssen fahrbare Hubarbeitsbühnen mit Anschlageinrichtungen für Rückhaltesysteme in den Arbeitsbühnen ausgerüstet sein. Diese müssen so ausgeführt werden, dass sie mit der persönlichen Schutzausrüstung verbunden werden können. Verbindungselemente dürfen sich nicht ungewollt von der Anschlageinrichtung lösen können.

Anschlageinrichtungen für Rückhaltesysteme sind nicht für die bei einem Absturz, hier dem Sturz aus der Arbeitsbühne, auftretenden Fangstoßkräfte ausgelegt. Bei der Verwendung eines klassischen Auffangsystems müssen die Anschlageinrichtungen eine Kraft von 6 kN sicher aufnehmen können.

Dies ist bei Anschlageinrichtungen, die zum Anschlagen von Rückhaltesystemen vorgesehen sind, nicht gewährleistet. Ausgenommen sind hiervon Anschlageinrichtungen die herstellerseitig für höhere Belastungen ausgelegt und entsprechend gekennzeichnet sind.

Anschlageinrichtungen für Rückhaltesysteme müssen u. a. die folgenden Anforderungen erfüllen:

  • ausreichende Anschlageinrichtungen entsprechend der Anzahl der max. zulässigen Personenzahl auf der Arbeitsbühne
  • je Anschlageinrichtung darf sich nur eine Person sichern
  • je Anschlageinrichtung muss eine Kraft von 3 kN aufgenommen werden können
  • Anschlageinrichtung max. 750 mm über dem Boden der Arbeitsbühne

Eine Untersuchung des Sachgebiets „Persönliche Schutzausrüstungen gegen Absturz und Rettungsausrüstungen“ des Fachbereichs „Persönliche Schutzausrüstungen“ ergab, dass anstelle der Verwendung eines Rückhaltesystems nur die Verwendung eines speziellen Auffangsystems einen ausreichenden Schutz bieten kann. Die jeweiligen Systeme und ihre Benutzung sind in der DGUV Regel 112-198 „Benutzung von persönlichen Schutzausrüstungen gegen Absturz“ (Stand September 2019) erläutert.

Es wurde festgestellt, dass z. B. infolge des Herausstürzens des Benutzers bzw. der Benutzerin aufgrund der zuvor beschriebenen Katapult- oder Peitscheneffekte bei der Verwendung eines Rückhaltesystems Kräfte von über 3 kN an der Anschlageinrichtung der Arbeitsbühne eingeleitet werden. Die Kräfte an der Auffangöse des Auffanggurts des Benutzers bzw. der Benutzerin lagen über den im Bereich der PSA gegen Absturz normativ erlaubten 6 kN. Diese Erkenntnis muss bei der Erstellung der Gefährdungsbeurteilung berücksichtigt werden. Kann ein Herausstürzen bzw. ein Herauskatapultieren des Benutzers bzw. der Benutzerin aus der Arbeitsbühne nicht ausgeschlossen werden, muss ein geeignetes Auffangsystem als Maßnahme zum Schutz gegen Absturz festgelegt werden.

3 Geeignetes Auffangsystem als Maßnahme zum Schutz gegen Absturz

Ein geeignetes Auffangsystem für die Verwendung in Hubarbeitsbühnen ist eine Persönliche Schutzausrüstung gegen Absturz (PSAgA). Dieses System muss im Rahmen der EU-Baumusterprüfung für diesen speziellen Verwendungszweck geprüft sein und z. B. die an der Anschlageinrichtung auftretenden Kräfte auf max. 3 kN (siehe Punkt 2, DIN EN 280) begrenzen.

Ein geeignetes Auffangsystem besteht aus einem Auffanggurt mit einer vorderen und einer hinteren Auffangöse (DIN EN 361) . Die Verbindung zwischen dem Auffanggurt und der Anschlageinrichtung in der Arbeitsbühne erfolgt mit einem speziell geprüften

Die Systemlänge ist auf maximal 1,80 m begrenzt. Damit ist eine Bewegungsfreiheit des Benutzers oder der Benutzerin gewährleistet, sowie die Beanspruchung der Ausrüstung und der Anschlageinrichtung in der Arbeitsbühne auf ein kalkulierbares Maß begrenzt.

Wesentlich für die Schutzfunktion ist, dass das Verbindungsmittel bzw. die bewegliche Führung immer so kurz wie möglich eingestellt sind.

Zusätzlich ist die Auswahl der richtigen Position der Anschlageinrichtung in der Arbeitsbühne entscheidend. Es werden folgende Positionen empfohlen:

  • beim Verfahren der Arbeitsbühne
    • in Höhe der Knieleiste des Geländers (max. 750 mm oberhalb des Bodens der Arbeitsbühne) vorzugsweise hinten oder vorne
  • beim Arbeiten in der Arbeitsbühne
    • maximal in Höhe der Knieleiste des Geländers (max. 750 mm oberhalb des Bodens der Arbeitsbühne), besser im Bereich der Fußleiste

Müssen mehrere Personen in der Arbeitsbühne gesichert werden, so ist für jede Person ein separater Anschlagpunkt zu benutzen.

Ein geeignetes Rettungskonzept muss vorliegen. Eine zweite Person ist notwendig, wenn sich ein Benutzer bzw. eine Benutzerin nach dem Auffangvorgang nicht mehr selbst retten kann. Diese Person muss in die sachgemäße Betätigung des Notablasses der Hubarbeitsbühne eingewiesen sein.

4 PSAgA zur Verwendung in Arbeitsbühnen von fahrbaren Hubarbeitsbühnen nach DIN 19427

Die DIN EN 19427 „Persönliche Absturzschutzausrüstungen – Persönliche Schutzausrüstungen gegen Absturz zur Verwendung in Arbeitsbühnen von Hubarbeitsbühnen“ wurde im April 2017 veröffentlicht. Diese bietet dem Hersteller u. a. die Grundlage zur Prüfung und Kennzeichnung von PSAgA, die speziell Anwendung in Hubarbeitsbühnen beim Risiko des Herauskatapultierens und eines Absturzes finden soll. Das Auffangsystem besteht aus den bereits unter Abschnitt 3 aufgeführten Komponenten.

Die Systemlänge ist auf 1,80 m begrenzt und die Anschlageinrichtung befindet sich maximal 750 mm über der Standfläche in der Arbeitsbühne (Knieleistenhöhe). Geprüft wird u. a. die besondere Beanspruchung der Ausrüstung durch den Geländerholm (z. B. quadratisches Profil) im Falle eines Auffangvorgangs. Je nach Lage der Anschlageinrichtung in der Arbeitsbühne entsteht bei einem Auffangvorgang eine doppelte Kantenbeanspruchung.

Eine nach dieser Norm geprüfte und zugelassene PSAgA ist durch den Hersteller, zusätzlich zu der
Kennzeichnung nach DIN EN 365, wie folgt zu kennzeichnen (Beispiel siehe Abbildung 2):

  • die Norm DIN EN 19427;
  • ein Piktogramm, das auf den Verwendungszweck in Hubarbeitsbühnen hinweist (siehe Abbildung 1);
  • die maximale Nennlast;
  • der Großbuchstabe „A“ an jedem Verbindungselement, das zur Anbringung an der Auffangöse des Auffanggurts geeignet ist.

Zusätzlich hat der Hersteller in der Gebrauchsanleitung, die der DIN EN 365 entsprechen muss, u. a. die geeignete Anschlageinrichtung in der Arbeitsbühne und die erforderliche lichte Höhe unterhalb des Bodens der Arbeitsbühne anzugeben.

Literaturverweise:

  • [1] DIN EN 280:2016-04: Fahrbare Hubareitsbühnen - Berechnung - Standsicherheit - Bau - Sicherheit - Prüfung, Stand: April 2016 [Beuth Verlag GmbH, Berlin].
  • [2] DIN 19427:2017: Persönliche Absturzschutzausrüstung - Persönliche Schutzausrüstung gegen Absturz zur Verwendung in Arbeitskörben auf fahrbaren Hubarbeitsbühnen, Stand: April 2017 [Beuth Verlag GmbH, Berlin].
  • [3] sicher ist sicher - Arbeitsschutz aktuell: Schutz gegen Absturz in Arbeitskörben von fahrbaren Hubarbeitsbühnen, Heft 7-8/2013, Autor: Dipl.-Ing. Wolfgang Schäper [Erich Schmidt Verlag GmbH & Co.KG, Berlin].
  • [4] sicher ist sicher - Arbeitsschutz aktuell: Aktuelles aus dem Sachgebiet PSA gegen Absturz/ Rettungsausrüstungen: "Neue DGUV Informationen, DGUV Grundsätze und DIN-Normen", Heft 10/2017, Autor: Dipl.-Ing. Wolfgang Schäper [Erich Schmidt Verlag GmbH & Co.KG, Berlin].
  • [5] Fachbereich AKTUELL FBHL-002 "Fahrbare Hubarbeitsbühnen - Maßnahmen gegen Sturz aus der Arbeitsbühne", Sachgebiet "Intralogistik und Handel" im Fachbereich "Handel und Logistik" der DGUV

Bildnachweis:

Abbildung 2; Quelle: Tanja Kopp, Leiterin Sachgebiet PSAgA und Rettungsausrüstungen, DGUV